Hans-Claus Neubing
Seit nahezu 500 Jahren steht das ortsbildprägende Pflegamtsschloss, ein repräsentativer dreigeschossiger Massivbau mit Krüppelwalmdach, in Velden. Es diente von 1543 bis 1806 als Amts- und Wohnsitz der Reichsstädtischen Pfleger bis es dann, als nicht mehr benötigte Staatsrealität, 1811 vom Königlich Baierischen Rentamt Hersbruck versteigert und an Privat verkauft wurde
Betritt man heute die im zweiten Obergeschoß des wuchtigen Gebäudes befindlichen ehemaligen Amts- und Repräsentationsräume, so beeindrucken zunächst die sauber gefassten Spund- und Balkendecken und das restaurierte Innenfachwerk. Das westliche Eckzimmer mit dem Ausblick auf die beiden Veldener Stadtmühlen war vormals die große „Herrenstub“ oder auch „Tafelstube“ genannt. Hier weilten die Landpfleger aus Nürnberg bei ihren Visitationsbesuchen in Velden, nutzten den repräsentativen Saal für Gerichtssitzungen, führten ihre Amtsgeschäfte und dinierten bei gesellschaftlichen Anlässen. Im oberen Bereich der Außenwände des Raumes erstrecken sich als Wandmalerei, in drei Reihen angeordnet, die Wappen mit den Namen der Nürnberger Landpfleger und die der Veldener Pfleger. Erstmalig angebracht anno 1650, im 19. Jh. unter einer Putzschicht wieder entdeckt und im Auftrag des heutigen Besitzers restauriert.
Ausschnitt der Wandmalerei in der ehemaligen Herrenstube des Veldener Pflegschlosses; Wappen der Landpfleger und Veldener Pfleger, anno 1650 (Aufnahme: Neubing, 2013)
An dem Wappenfries erkennt man übrigens auch, dass dieser Raum ursprünglich wesentlich größer war. Im Jahr 1830 wurde das Schloss an drei Interessenten veräußert. Da ihnen jeweils Räume in allen Geschossen zugeteilt wurden, mussten zum Teil neue Trennwände eingezogen werden.
Doch das Wesentliche von der früheren Raumausstattung des großen Saales ist nicht mehr vorhanden. Es ist die im Jahre 1544/45 eingebaute Wandvertäfelung.
Beim Bau des Pflegschlosses legte das Landpflegamt in Nürnberg großen Wert auf eine besonders repräsentative Ausstattung „der heren größere stub“. Es beauftragte deshalb den Nürnberger Kunstdrechsler und Holzschnitzmeister Balthasar Friedel mit der Herstellung einer umlaufenden Wandvertäfelung. Die Holztäfelung aus Tannen- und Fichtenholz war untergliedert durch 10 Wandpfeiler mit davorgestellten schmalen, von Renaissance-Kapitellen bekrönten, kannelierten Pilastern aus Eichenholz. Die Höhe der Täfelung betrug 2,24m, vom Sockel Unterkante bis Hauptgesims Oberkante. Eine schwere Eichenholztüre und ein Gieskalter (Gästewaschbecken), jeweils mit überaus reich verziertem Rahmenwerk versehen, vervollständigten die kunstgeschichtlich wertvolle Raumausstattung.
Teilansicht der repräsentativen Ausstattung aus der ehemaligen Herrenstube des Veldener Pflegschlosses (Aufnahme: Seyfert, Pirna, 1925)
Zeit für eine Spurensuche
In den Jahren 1862/64 erbaute der Nürnberger Verleger Ludwig Jegel in Rupprechtstegen, auf einen Felsen am Eingang zum Ankatal, ein für die damalige Zeit überaus luxuriös ausgestattetes Kurhotel. Mit den Zimmererarbeiten war u. a. der Veldener Johann Strobel beauftragt. Strobel war Besitzer von 1/3-Hausanteil des Pflegschlosses, zu dessen Wohnung auch der sog. große Saal gehörte. So kam es, dass Strobel das Kunstwerk aus dem großen Saal an den daran interessierten Jegel verkaufte. Die kunstvolle Renaissancevertäfelung wurde dann in den zwei übereinanderliegenden Räumen des flankierenden Turmgemaches des Jegelschen Kurhotels (Abb. 3) eingebaut.
Das Rupprechtstegener Kurhotel mit dem Turm; Ansichtspostkarte um 1930; Sammlung Himmler
Andere Einzelteile der Schlossausstattung, darunter auch ein holzgeschnitzter Pegasus-Kronleuchter mit Glaskristall und ein Renaissance-Kachelofen des Nürnberger Hafnermeisters Pelat landeten im Kunsthandel und befanden sich um 1925 im Nürnberger Privatbesitz. Jegel investierte damals sein ganzes Vermögen in das pompöse Kurhotel, dennoch, zahlungskräftige Kunden blieben aus und das Unternehmen gelangte in finanzielle Schwierigkeiten. Bereits 1865 musste Jegel, verbittert durch seinen Unverstand, Konkurs anmelden. Die Gläubiger machten das wertvolle Inventar so gut es ging zu Geld. In den folgenden Jahrzehnten wechselten häufig die Eigentümer des Rupprechtstegener Kurhotels bis es schließlich 1901 in den Besitz der Familie Waldrab gelangte.
Doch wo ist die Renaissance-Vertäfelung aus dem Veldener Schloss verblieben?
Dr. Friedrich Nagel, Nürnberger Architekt und Fotograf, bekannt durch seine historischen Fotografien architektonischer Details, wurde 1921 von Herrn Waldrab beauftragt, die dortigen Fremdenzimmer in einen besseren baulichen Zustand zu versetzen. Dabei war es erforderlich, die alten Wandvertäfelungen aus den beiden Turmzimmern zu entfernen und zu verkaufen. Diese wurden von dem Antiquitätenhändler Ehrengruber-Neumann in Nürnberg erworben und vom Erlös die Renovierungskosten des Kurhotels mit finanziert. Die kunstvolle Wandvertäfelung wurde dann 1933 vom Staat zurückerworben und in die Kemenate der renovierten Nürnberger Kaiserburg, im Zimmer der Kaiserin, eingebaut.
Die Veldener Vertäfelung in der Kemenate der Nürnberger Kaiserburg, Ansicht der Südwand. (Aufnahmen: Nagel, 1934 [StadtAN A46-6899;6900])
Die Veldener Vertäfelung in der Kemenate der Nürnberger Kaiserburg, Ansicht der Nordwand
Am 2. Januar 1945, beim verheerenden Bombenangriff auf die Nürnberger Altstadt, wurde auch die Burg schwer getroffen wobei das Kunstwerk aus dem Veldener Pflegschloss unwiederbringlich mit verbrannte.
Nur den historischen Aufnahmen von Dr. Seyfert (1925) und Dr. Nagel (1934) ist es zu verdanken, dass wir uns heute noch ein Bild des abgegangenen Kunstwerkes aus dem Veldener Pflegschloss machen können.