Auf den Spuren des Abwassers

Claudia Schuller

Teil zwei unserer Reihe zum Thema Wasser. Nach Informationen, woher unser kostbares Nass kommt, beantworten wir diesmal die Frage, wohin es geht und was dort passiert.

So arbeitet die lokale Kläranlage

Klein aber fein ist sie, die Kläranlage, die in Velden für Sauberkeit und Hygiene sorgt. Man findet sie unter der Adresse Lungsdorf 19. Eine Person als Beschäftigter kümmert sich um den Betrieb, rund 1.500 Einwohner und zwei Firmen sind angeschlossen mit ihren Toiletten, Waschbecken und sonstigem aus dem Sanitärbereich. Der „Umsatz“ aber ist stattlich: Pro Tag 450 Kubikmeter beziehungsweise 450.000 Liter, wenn das Wetter trocken ist, 1.500 Kubikmeter oder 1,5 Millionen Liter bei Regen.

Unscheinbar am Rand der Straße durch das Pegnitztal (Fotos: Günter Krauß)

Die Person, die in der hoch modernen, PC-gesteuerten und vor zehn Jahren komplett renovierten Anlage arbeitet, ist Thomas Jung. Der Klärwärter nimmt wöchentlich Proben, hantiert dabei mit Glasröhrchen und Messgeräten, wertet sie im eigenen Labor aus, schreitet ein und macht Meldung, wenn Grenzwerte überschritten sind. Die Ausbildung, die er absolvierte, ist Ver- und Entsorger. Es folgten diverse Kurse. Aber Jung ist ein echter Tausendsassa. Die Kläranlage betreut er nämlich nur halbtags, die zweite Hälfte der Zeit ist er am Bauhof und zudem als Schulhausmeister im Einsatz.

All diese Jobs sind herausfordernd. Hinter der Kläranlage aber steckt die meiste Technik. Durch mehrere Reinigungsschritte wird aus dem dreckigen Abwasser wieder sauberes Wasser mit beinahe Trink-Qualität, das dem Wasserkreislauf wieder zugeführt werden kann. Da gibt es zuerst den Rechenfang. Riesige Zinken mit nur wenigen Millimetern Zwischenraum fischen dort Dinge aus dem Wasser, die nicht hineingehören, aber oft genug achtlos in der Toilette landen. Die Rede ist von Textilien, Hygieneartikeln, Essensresten, Wattestäbchen, Verpackungsmaterial, Ästen, Laub und anderen groben Fremdkörpern. Im Sandfang werden durch eine spezielle Technik bei der Luftzufuhr leichte Stoffe im Abwasser in der Schwebe gelassen, damit sich schwerere Dinge am Boden absetzen können. Leicht ist vor allem Toilettenpapier, schwer zu Boden sinken Sand, Steinchen und ähnliches. Natürlich müssen letztere regelmäßig vom Boden des Klärbeckens entfernt werden. Und Fette? Weil sie eine geringere Dichte als Wasser haben, setzen sie sich an der Wasseroberfläche ab und können ganz einfach durch Luftzufuhrtechnik über den Beckenrand hinaus gespült werden. Dann geht es erst richtig los, denn es folgen Vorklärbecken, Belebungs- und Nachklärbecken.

Drei Becken

Die drei Teile der Kläranlage

Im ersten oder Vorklärbecken ruht das Abwasser, so dass sich alle übrigen Klein- und Schwebeteilchen nach und nach als Schlamm am Grund absetzen können. Dort wird der Schlamm mit einem Räumer zu einer Pumpe geschoben, die diesen zur Schlammbehandlung befördert. Im Klartext: alles was sich absetzt, kommt raus. Vor allem Fäkalien.

Im zweiten oder Belebungsbecken herrschen Bakterien, und zwar nützliche. Der mechanische Teil der Reinigung ist abgeschlossen, darum geht es hier den Schadstoffen an den Kragen, die sich nicht so einfach „händisch“ entfernen lassen. Millionen von Bakterien „fressen“ das schädliche Material auf. Willkommen in der Welt der Fadenwürmer, Glocken- und Wimperntierchen. Winzig klein und unter dem Mikroskop geheimnisvoll schön, haben sie besondere Kräfte. Mittels Zugabe von Sauerstoff vermehren sie sich rasant und das Becken fängt an zu blubbern. Es entstehen kleine Schlammflocken. So wird durch die Kraft der Biologie das Wasser sauberer. Chemisch läuft folgendes ab: Die Bakterien bauen die Schmutzstoffe, also die organischen Kohlenstoffverbindungen, ab. Stickstoff wird aus den organischen Verbindungen zunächst als Ammonium abgespalten - das nennt sich Hydrolyse - und dann mit Hilfe anderer Bakterien mit Sauerstoff zu Nitrat oxidiert, also die Nitrifikation. „Da gibt es verschiedene Bakterien-Stämme, die man fertig kaufen kann. Das Verhältnis muss stimmen, damit der Prozess funktioniert. Und ich muss genügend Luft reinblasen“, erläutert Jung. „Die Anlage arbeitet relativ langsam, die Biologie muss erst reagieren, das geht nicht von einer Stunde auf die andere“.

Das Belebungsbecken: Millionen Bakterien übernehmen die Reinigung

In das dritte oder Nachklärbecken laufen die „Flocken“ über und setzen sich wiederum am Boden ab. Der Schlamm, in dem die kleinen Bakterien nun stecken, ist nämlich schwerer als Wasser. Das Ganze wird ins Belebungsbecken zurückgepumpt, weil die „Nahrung“ dort gebraucht wird. Und letztlich strömt das saubere Wasser wieder hinaus in die Pegnitz.

Sauber in die Pegnitz

Keine Grenzwertüberschreitungen

„Besonders wichtig sind die Stoffe Phosphat, Nitrat und Ammoniumstickstoff. Davon sollte es nicht zu viel geben, da sie teils giftig sind und der Gesundheit schaden können, es existieren auch einige Grenzwerte“, führt Jung aus. Diese Substanzen gelangen hauptsächlich durch die Landwirtschaft in die Umwelt und ins Wasser, zum Beispiel durch Dünger. Darum hat Jung ein besonders Auge darauf und testet insgesamt auf sieben Stoffe. Werden gewisse Werte überschritten, wendet er sich an das Wasserwirtschaftsamt in Nürnberg als zuständige Aufsichtsbehörde. „Wir verwalten den ganzen mittelfränkischen Bereich, natürlich auch Velden. Dabei sind unsere Mitarbeiter so aufgeteilt, dass sie bestimmte Gebiete überwachen“, heißt es aus dem Wasserwirtschaftsamt. Die Experten helfen mit konkreten Hinweisen weiter, was zu tun ist, veranlassen gegebenenfalls weitere Proben und kooperieren mit anderen Behörden, zum Beispiel aus dem Gesundheitsbereich.

Aber zum Glück kam so etwas noch nie vor. Jung, der seit 1990 seinen Dienst versieht, musste noch keine Überschreitung der zentralen Werte erleben. Wäre das der Fall, müsste Velden bei groben Überschreitungen Strafgelder zahlen.

Klärwart Thomas Jung bei der täglichen Entnahme von Proben aus den Klärbecken

Jungs spannender, ungewöhnlicher Arbeitsalltag sorgt dafür, dass er oft in Reagenzröhrchen blickt. „Die Messung funktioniert mittels Lichtquellen. Je nach Färbung kann ich den Reinigungsgrad des Wassers erkennen“, beschreibt er. Dabei nutzt er festgelegte Sets von Reagenzien. Es gibt sie ebenso komplett im Handel wie die Bakterien.

Wohin mit dem Klärschlamm?

Eine Besonderheit weist die Veldener Anlage auf: Aus der Vorklärung müssen tagtäglich zwölf Kubikmeter einen Berg hochgepumpt werden, weil es unten zu voll ist. Dort wird das Material zwischengelagert und dann von einer Firma gepresst. Später holt es ein Spezialbetrieb ab und verbrennt alles. Bald soll Velden jedoch eine eigene Klärschlammpresse erhalten - eine stattliche Investition. Dann muss nur noch ein Dienstleister für die Verbrennung engagiert werden, den Rest erledigt die Gemeinde selbst.

50 m über dem Tal bei Lungsdorf: die beiden Becken zur Lagerung des Klärschlamms

Doch warum eigentlich verbrennen? Geht das nicht anders? Beim Thema Kläranlagen-Reste denken viele Leute, dass doch die Bauern das Material abholen und zur Düngung der Felder nutzen könnten. Das war früher zwar durchaus üblich, ist aber seit über zehn Jahren gesetzlich wegen der strengen Grenzwerte für etliche Substanzen verboten. Im Sinne des Gesundheitsschutzes.

Gesetze regeln den Umgang mit dem Abwasser

Das bayerische Landesamt für Umwelt LfU erklärt, dass sich durch den gezielten Ausbau kommunaler und industriell-gewerblicher Abwasseranlagen sowie durch eine Vielzahl flankierender Maßnahmen die Wasserqualität der Bäche, Flüsse und See generell verbessert hat. „Der Eintrag von Nähr- und Schadstoffen aus punktuellen Quellen ist deutlich zurückgegangen“, so ein Sprecher der Aufsichtsbehörde. Einen wesentlichen Anteil daran haben die bayerischen Kommunen wie Velden. Anfang der 1950er Jahre gab es in Bayern nur wenige kommunale Kläranlagen und das Kanalnetz besaß einen geringen Umfang. Heute sind über 97 % der Bevölkerung Bayerns an rund 2.300 öffentliche Kläranlagen angeschlossen. Die Kanalnetze erstrecken sich über eine Gesamtlänge von über 105.000 km.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Abwasseranlagen fordern einiges. Nach dem Wasserhaushaltsgesetz stellen Einleitungen von Abwasser aus Kanalisation oder Kläranlagen in Gewässer Benutzungen dar, für die eine behördliche Erlaubnis nötig ist. Um die zu bekommen, ist ein hoher Reinheitsgrad gefragt. Grundsätzlich wird mit dem so genannten Emissionsprinzip auf Vorsorge gesetzt. Das heißt, es ist vorgeschrieben, Schadstoffe so weit wie möglich zu begrenzen und moderne Verfahren nach dem aktuellen Stand der Technik einzusetzen. Die Abwasserverordnung (AbwV) umfasst viele Seiten.

Interessant auch die dahinterstehende Definition des Umweltbundesamtes: Als Abwasser zählt Wasser, das durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch „verändert“ wurde plus das abfließende Regen- und Schneewasser. Die aus Anlagen zum Behandeln austretenden und gesammelten Flüssigkeiten werden ebenfalls dem Abwasser zugerechnet. Das gebrauchte Wasser aus Haushalten und Gewerbe, das so genannte Schmutzwasser, sowie Niederschlagswasser, also Regen- und Schmelzwasser, bilden das kommunale Abwasser. Dieses wird über öffentliche Kanalsysteme abgeleitet und in den kommunalen Kläranlagen behandelt. Schmutz- und Niederschlagswasser werden entweder vermischt in einem Kanal als Mischwasser oder in getrennten Kanälen gesammelt.

Und genau daran ist vor Ort Thomas Jung zentral beteiligt. Doch was passiert, wenn er als Halbtags-„Einzelkämpfer“ ohne Kollegen mal Urlaub hat oder erkrankt? Dafür ist natürlich gesorgt, denn er vertritt sich gegenseitig mit dem Mitarbeiter der Kläranlage Hartenstein. „Gerade dass unsere Anlage so klein und übersichtlich ist gefällt mir gut“, resümiert Jung. „Da kennt man jedes Detail, hat alles im Griff und weiß, was man tut. In größeren Anlagen ist man eher ein Rädchen im Getriebe“. 

Eine Bitte hat Thomas Jung

Feuchttücher gehören nicht in die Toilette. Sie sind aus einem ganz anderen Material als das gewöhnliche Toilettenpapier und zersetzen sich nicht. Stattdessen bleiben sie in den Apparaturen hängen und stören.